Alternativen zum Google-Reader
Noch nicht ganz eine Woche ist es her, dass für viele überraschend die Nachricht kam, dass Google’s RSS Reader, nebst anderen Produkten, dem diesjähirgen Frühjarsputz zum Opfer fallen soll. Die Begründung war, dass trotz loyaler Nutzerzahlen diese stetig schwänden und deswegen der Betrieb zum 1. Juli 2013 eingestellt würde. Online-Nachrichtenportale, Social News-Seiten und jede Menge Blogs berichten natürlich sofort darüber - der medialen Aufmerksamkeit in gewissen Kreisen nach zu urteilen liegt doch noch recht vielen Leuten etwas am web-basierten Newsreader.
Dazu gehöre auch ich: noch vor Facebook, Twitter & Co verbringe ich im Google Reader die meiste Zeit, wenn ich online bin. Obwohl bis zum ersten Juli noch eine Weile hin ist, will ich mich jetzt schon nach einem Ersatz umsehen.
Vorneweg, für ungeduldige, bereits die Entscheidung:
- Feedly fremdgehostet
- Tiny Tiny RSS selbstgehostet
Ich entscheide mich für selbst-gehostet. In einem späteren Beiträge möchte ich dann die Installation von Tiny Tiny RSS erklären.
Getestet werden sollen:
Mein Einsatzzweck
In vielen Kommentaren und Blogposts werden soziale Netzwerke wie Facebook mit für den Rückgang von RSS verantwortlich gemacht - viele Menschen lesen ihre Nachrichten nun auch dort, ein “gefällt mir” reicht ja schon aus, um ein digitales klein-Abo einer Nachrichtenquelle abzuschließen. Neben den anderen Neuigkeiten des Lebens scrollt so nach und nach dann eben auch das Tagesgeschehen aus der Nachrichtenwelt vorbei. Wer Zeit hat, liest mit, wer nicht, lässt es vorbeiziehen.
Darum geht es mir allerdings ausdrücklich nicht. Nachrichten aus dem Zeitgeschehen, wie aus Zeitungen, lese ich durchaus entweder im sozialen Netzwerk oder direkt auf Nachrichtenseiten. Mein Google Reader ist mehr als Abo meiner liebsten Blogs, Überwachung mancher technischer Datenquellen (Server-Benachrichtigungen, github/launchpad, etc) und so weiter gedacht, also um mir zu ersparen, täglich zahlreiche verschiedene Seiten auf Neuigkeiten untersuchen zu müssen. Da habe ich lieber alles zentral gesammelt. Gerade weil diese Dinge ihre Relevanz nicht unbedingt mit der Zeit verlieren, möchte ich über alle Neuigkeiten dort im Bilde sein, man könnte es mit einem E-Mail - Postfach vergleichen.
Kriterien
mobil
Das allerwichtigste Kriterium zur Auswahl einer Alternative zum Google Reader gleich vorneweg: Ich lese meine Inhalte sowohl am Computer als auch am Mobiltelefon und möchte nicht mehrmals die selben Nachrichten lesen müssen, nachdem ich sie als gelesen markiert habe. Eine Synchronisation des aktuellen Stands zwischen Computer und Handy ist also zwingend notwendig. Andernfalls ließe sich die Nachrichtenflut ja kaum bezwingen.
Selber hosten oder hosten lassen?
Wie unpraktisch und überraschend es kommen kann, sieht man am Google Reader. Ein Unternehmen beschließt, dass der Betrieb der Dienstleistung, vor allem gratis, nicht mehr rentabel ist und widmet sich anderen Zwecken. Nachdem es in dem Fall sogar den Riesen Google getroffen hat, muss man solche Überlegungen natürlich auch bei allen anderen, kleineren Anbietern anstellen. Sollte man sich hier auf einen fremd-gehosteten Dienst verlassen oder die Geschichte nicht doch lieber selbst betreiben?
hosten lassen
Größter Vorteil davon, nicht selbst den Betrieb seines Nachrichtenlesers zu übernehmen ist natürlich, dass sich jemand anders um die technischen Feinheiten kümmert. Es fällt quasi kein Wartungsaufwand an, selbst um Sicherungskopien kümmern sich die Anbieter für gewöhnlich und weil sie eine Menge Nutzer bedienen müssen, bedienen sie sich selbst größtenteils recht ausfallsicherer Systeme, womit für den Selbst-Hoster natürlich hohe Kosten verbunden wären.
Wer seine Nachrichten also bei einem Anbieter lesen möchte, muss dem zwangsweise aber natürlich dann auch mit diesen Daten vertrauen. Private oder vertraulich zu behandelnde Nachrichtenquellen oder welche, die mittels Kennwort geschützt sind, sollte man besser nicht aus den eigenen Händen geben, schließlich kann der Anbieter jederzeit mitlesen.
selber hosten
Genau das Gegenteil ist beim selbst-betriebenen Newsreader der Fall. Die Daten gehen für gewöhnlich nicht aus der eigenen Hand, sie bleiben auf dem eigenen Server und der ganze Dienst bleibt so lange online, wie man selbst bereit ist, ihn zu betreuen.
Betreuen muss man ihn dann aber auch! Nebst den üblichen technischen Notwendigkeiten beim Betrieb von Servern im Internet kommt noch mit dazu, dass so ein Newsreader täglich per Definition mit Daten aus Quellen gefüttert wird, die man selbst nicht beeinflussen kann und für deren Vertrauenswürdigkeit man nicht unbedingt die Hand in’s Feuer legen würde. Das kann ein Sicherheitsrisiko darstellen, vor allem wenn der eingesetzte Reader in PHP programmiert ist. Für so eine Aussage gibt es allerdings eher historische Beweise als technische.
Verschiedene Produkte
Zur Zeit werden eine Menge Alternativen und Umstiegsmöglichkeiten diskutiert. Fast alle Lösungen sind web-basiert, was ich für sehr sinnvoll erachte, schließlich sind die hereinkommenden Nachrichten für gewöhnlich auch alle im HTML-Format erstellt. Ich habe mir einige davon herausgesucht und auf ihre Nützlichkeit hin untersucht, meine Ergebnisse möchte ich hier festhalten:
Google Reader
Zum Vergleich, der alteingesessene Newsreader. Bislang hat er seine Aufgabe recht zuverlässig erledigt und wartet dabei mit nur wenig Firlefanz um die Kernaufgabe herum auf, die Optik ist pragmatisch-schlicht.
Die Funktionalität ist auch hervorragend - durch die vielen Benutzer, die gleichzeitig bedient werden müssen, war es für Google notwendig, eine leistungsfähige Infrastruktur anzuschaffen, die ständig nach Neuigkeiten bei den zahlreichen Nachrichtenquellen sieht. Das funktioniert auch sehr gut, meist sind neue Beiträge schon innerhalb kürzester Zeit von der Quelle im Reader gelandet.
Die mobile Nutzung klappt auch sehr gut, eine grundlegende App stellt Google bereit, die stets synchron mit dem Stand auf der Desktop-Website ist. Neben einer mobilen Website gibt es auch noch zahlreiche Apps von Drittanbietern, die im Hintergrund ihren Datenbestand mit dem Google Reader abgleichen und sich darauf konzentrieren, noch eine möglichst hübsche Oberfläche oder praktische Zusatzfunktionen hinzuzufügen.
Das Problem dabei ist aber, wie gesagt: er geht offline in ein paar Monaten.
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The Old Reader
Dem Google Reader am ähnlichsten ist wohl The Old Reader, ein gehosteter Dienst, der sich direkt an einer älteren Version des Google Readers orientiert. Die Funktionalität ist recht ähnlich, nur das Design ist ein wenig aufgehübscht.
Um damit Nachrichten lesen zu können, muss man natürlich zunächst Quellen hinzufügen, das klappt bisweilen ganz gut. Die vom Google Reader aus in einer OPML-Datei mitgebrachten Nachrichtenquellen können auch importiert werden, damit und generell mit dem großen Ansturm seit der Ankündigung des Frühjahrsputz hat die Website allerdings wohl ihre Probleme. Beim Import ist man derzeit auf eine Warteschlange angewiesen, die erst nach und nach die Imports verarbeitet. So kann es also eine Weile dauern, bis man wieder alle Nachrichtenquellen hat. Darüber hinaus ist die Seite selbst auch recht langsam.
Großer Nachteil und damit auch direkt Auschlusskriterium: Es gibt keine App für Android (oder sonst irgendein Betriebssystem), das mobile Lesen fällt mit The Old Reader also flach und damit das ganze Ding für mich
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Newsblur
Newsblur ist Open Source, das Hauptaugenmerk liegt allerdings auf deren Angebot, ein Konto auf deren Server zu betreiben. Das gratis-Konto hat einige Einschränkungen, darunter ein Maximum an 64 Feeds, weniger-häufige Aktualisierungen der Feeds und einige Features sind deaktiviert. Der Premium-Account ist mit $2 USD/Monat nicht allzu teuer.
Wer das ganze selber hosten möchte, kann sich bei github den Quellcode besorgen und es auf dem eigenen Server aufsetzen. Beim Betrachten der Abhängigkeiten (Django, RabbitMQ, MongoDB, etc)wird aber schnell klar, dass man damit nicht einen simplen RSS-Reader für sich selbst bekommt sondern ein großes Deployment, für das man am besten gleich mehrere Server im Verbund einsetzt. Nicht so gut für Einzelnutzer.
Das Design des Accounts ist recht ansprechend, allerdings ist mir persönlich zu viel los. Es gibt sehr viele Funktionen, man kann dem Reader wohl auch beibringen, was man interessant findet und beim Lesen der Artikel hat man gleich mehrere Betrachtungsmöglichkeiten: Den ganzen Feed, einzelne Artikel, wie sie aus dem Feed kommen, eine Nur-Text - Version, vergleichbar mit instapaper oder readability sowie “Story”, bei dem einfach die URL des Artikels aufgerufen wird und man den Artikel im Original betrachtet. Die Nur-Text - Version ist allerdings nur für Premium-Kunden zugänglich. Darüber hinaus gibt es etwa Integration von Pocket, mit dem ich derzeit meine Artikel abspeichere, die ich noch eine Weile aufbewahren möchte.
Es gibt auch eine Android-App: Newsblur, der nicht wirklich etwas fehlt und die relativ hübsch aussieht.
Alles in allem ist Newsblur echt hübsch und von den Funktionen her ganz praktisch, allerdings wohl auch aufgrund des hohen Ansturms zur Zeit ziemlich langsam und mir persönlich zu überladen mit Funktionen.
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Feedly
Feedly ist derzeit hauptsächlich ein hübscheres Frontend für den Google Reader. Im Hintergrund wird dieser derzeit auch noch zur Datenhaltung verwendet. Zum 1. Juli hin soll sich das aber ändern, man will auf ein eigendes Backend umsteigen. Das macht Feedly übrigens auch zu derjenigen Alternative mit der einfachsten Umstellung. Um Feedly zu benutzen, muss man der Seite lediglich Zugang zum Google Reader-Teil seines Google-Accounts machen und Feeds, markierte Beiträge, etc werden automatisch dargestellt, ohne sie erst noch importieren zu müssen. Wie es bisher aussieht, wird Feedly wohl auch die Umstellung im Juli dann transparent für den Nutzer machen. Viele Nutzer des Google Reader bevorzugen wohl bisher Feedly, das Blog spricht von über 500 000 Anmeldungen innerhalb von 48 Stunden
Feedly ist lediglich beim Anbieter gehostet verfügbar, gratis. Dadurch ist man natürlich nicht davor geschützt, sich theoretisch bald wieder einen neuen Anbieter suchen zu müssen. Immerhin gibt es bei Google die Möglichkeit, sich die Feeds (die derzeit ja auch Feedly verwendet) zu exportieren und sie bei einem anderen Anbieter hochzuladen.
Vom Design her ist Feedly recht flexibel. Es stehen verschiedene Ansichtsmöglichkeiten bereit (gekachelt, Listen, eine Mischung, etc), aber die Einstellungsmöglichkeiten dafür drängen sich nicht andauernd auf (wie bei newsblur). Wer möchte, kann so sein Feedly auch aussehen lassen wie Google Reader. Pocket lässt sich auch integrieren, man kann seine Beiträge in sozialen Netzwerken posten lassen und sonst ist nicht viel geboten an Funktionen, muss aber auch nicht. Damit kann man zufrieden sein.
Es gibt eine App für Android, die funktioniert relativ gut, ist nur beim Test in den vergangenen Tagen öfter mal mit einem leeren Bildschirm stehen geblieben und bietet danach den erneuten Login (mittels OAuth übrigens!) an. Diese Probleme mögen am erhöhten Lastaufkommen der Umstiegsphase liegen.
Würde ich mich für eine gehostete Lösung entscheiden, würde meine Wahl auf Feedly fallen.
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Tiny Tiny RSS
Schlussendlich das selbst zu hostende Tiny Tiny RSS. Der Hersteller bietet keine gehostete Variante an, man muss es also zwingend auf eigenem Webspace oder besser Server installieren.
Die Installation ist relativ einfach, allerdings ist es dabei von Vorteil, wenn der verwendete Webspace gewisse technische Anforderungen erüfllt. Die Feeds werden periodisch abgerufen, empfohlen wird einen Daemon im Hintergrund laufen zu lassen, der das erledigt. Sollte das nicht möglich sein, geht’s wohl auch über cron oder, sollten alle Stricke reißen, auch ohne Shell-Zugang und anhand von Seitenaufrufen. In dem Fall wird aber natürlich bei Nicht-Benutzung (etwa über Nacht) auch kein Feed abgerufen und man muss erst aktualisieren lassen. Für den technisch versierten Server-Administrator alles kein Problem, wer nur fix eine Alternative für den Google Reader sucht, wird sich darüber vielleicht ärgern.
Das Design ist pragmatisch-schlicht gehalten, auf der linken Seite stehen die Feeds und rechts stehen die Inhalte. Mir hat gut gefallen, dass man optional auch eine für Breitbild-Monitore aufbereitete Variante verwenden kann, in dem dreispaltig links die Feeds, in der Mitte die Artikelliste und rechts die Artikelinhalte stehen, vergleichbar etwa mit Outlook in der breiten Ansicht. TT-RSS ist theoretisch mittels Plugins erweiterbar, es werden auch einige mitgeliefert, großartige Funktionszuwächse gibt es mit den mitgelieferten Plugins bislang allerdings keine. Praktisch für mich waren dabei die Plugins zum Umstellen auf die Tastaturbelegung, die man aus Google Reader kennt, sowie die Integration von Pocket. Wirklich notwendig sind Plugins aber nicht, die wichtigen Funktionen sind dabei und man darf ein interessantes Merkmal nicht übersehen: Es gibt für fast alle Ansichten eigene RSS-Feeds. Beispielsweise ganze Ordner mit Feeds können zusammengefasst werden oder - viel interessanter - alle “markierten” oder kürzlich gelesenen Artikel. Wer etwa den Feed der markierten Artikel mittels If This Then That an Pocket, Twitter, o.Ä. weiterreicht, braucht nicht mal Plugins.
Die Android App: Tiny Tiny RSS ist ebenfalls Open Source, die im Store erhältliche Version ist dabei auf 7 Tage begrenzt und muss danach mit 1,52€ bezahlt werden.
Würde ich mich für eine selbst zu hostende Alternative entscheiden, wäre das derzeit wohl TT-RSS.